Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erneut gehandelt: Heute am 27.7.2023 wurde der Leitzins um weitere 25 Basispunkte auf 4,25% angehoben. Es ist die neunte Anhebung innerhalb eines Jahres. Ziel dieser Maßnahme ist es, die noch immer auf hohem Niveau liegende Inflation in Schach zu halten.
Auch die Einlagefazilität, die Geschäftsbanken erlaubt, kurzfristige und risikofreie Anlagen bei der EZB zu tätigen, wurde auf 3,75% erhöht – ein Anstieg gegenüber dem vorigen Wert von Mitte Juni, der 3,50% betrug.
Nachfolgend finden Sie eine Liste der neun vorherigen Leitzinsanhebungen der EZB innerhalb des letzten Jahres:
Datum | EZB Einlagezins (Einlagefazilität) | EZB Leitzins (Festsatz) |
---|---|---|
27.07.2023 | 3,75 | 4,25 |
15.06.2023 | 3,50 | 4,00 |
04.05.2023 | 3,25 | 3,75 |
16.03.2023 | 3,00 | 3,50 |
02.02.2023 | 2,50 | 3,00 |
15.12.2022 | 2,00 | 2,50 |
27.10.2022 | 1,50 | 2,00 |
08.09.2022 | 0,75 | 1,25 |
21.07.2022 | 0,00 | 0,50 |
12.09.2019 | -0,50 | 0,00 |
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Wie geht es nun weiter?
Die nächste Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) ist dann am 14. September 2023. Denn in Zeiten einer unbeständigen Wirtschaft und rückläufiger Inflation bleibt die Frage, ob weitere Zinserhöhungen anstehen, weiterhin unbeantwortet. Der wirtschaftliche Horizont erscheint zunehmend eingetrübt, was die Unsicherheit weiter erhöht.
Neben diesen Inflationsraten zeigt sich die europäische Industrie zunehmend besorgt. Die Bank Austria berichtet in diesem Zusammenhang von einem deutlichen Stimmungsabfall in der Industrie, der an die Stimmung zu Beginn der Pandemie erinnert – abgebildet über den EinkaufsManagerIndex. Als Reaktion auf die rückläufige Nachfrage haben die heimischen Betriebe sowohl die Produktion als auch die Belegschaft reduziert. Besonders die Inlandsaufträge lassen zu wünschen übrig, aber auch die Nachfrage aus dem Ausland hat stark nachgelassen. Der Wachstumsschwellenwert von 50 ist seit über einem Jahr unterschritten.
Ein genauer Blick auf die Inflationsraten verschiedener europäischer Länder zeigt ein vielschichtiges Bild. In Österreich beispielsweise lag die Teuerungsrate im Juni 2023 noch bei 8,0%. Dies steht im Kontrast zur gesamten Eurozone, in der die durchschnittliche Inflationsrate bei 5,5% lag, und zur gesamten Europäischen Union, in der eine Inflationsrate von 6,4% verzeichnet wurde.
Die Unterschiede in der Inflation innerhalb Europas sind dabei bemerkenswert. Am oberen Ende der Skala finden sich Länder wie Ungarn und die Türkei, die mit Inflationsraten von 20% bzw. über 38% (von Juni 2022 bis Juni 2023) zu kämpfen haben.
Ausgewählte Inflationsraten in Europa für den Juni 2023:
Land | in Prozent |
Im Euro-Währungsgebiet | 5,5 |
Europäische Union | 6,4 |
Liechtenstein | 1,7 |
Schweiz | 1,7 |
Griechenland | 1,8 |
Spanien | 1,9 |
Zypern | 1,91 |
Dänemark | 2,5 |
Luxemburg | 3,2 |
Portugal | 3,39 |
Belgien | 4,15 |
Frankreich | 4,5 |
Niederlande | 5,7 |
Irland | 6,1 |
Malta | 6,2 |
Finnland | 6,3 |
Deutschland | 6,38 |
Italien | 6,4 |
Norwegen | 6,4 |
Bosnien Und Herzegowina | 6,49 |
Slowenien | 6,9 |
Kroatien | 7,6 |
Island | 7,6 |
Lettland | 7,9 |
Großbritannien | 7,9 |
Österreich | 8,0 |
Bulgarien | 8,7 |
Litauen | 9 |
Estland | 9,2 |
Schweden | 9,3 |
Tschechische Republik | 9,7 |
Rumänien | 10,25 |
Slowakei | 10,88 |
Polen | 11,5 |
Ukraine | 12,8 |
Serbien | 13,7 |
Ungarn | 20,1 |
Türkei | 38,21 |
Obwohl die Inflation nach wie vor hoch und die Aussichten auf dem Markt alles andere als rosig sind, bleibt unklar, wann und wie die Zinsen stabilisiert werden können. Es bedarf einer signifikanten Abschwächung der Inflation, bevor ein Zinsstopp oder gar eine Gegenbewegung in Betracht gezogen werden kann. Dieses Thema wird sicherlich die Diskussionen in den kommenden Monaten des Jahres 2023 prägen.
Zukünftige Sitzungen der EZB, wie am 14.9.2023, 26.10.2023 und 14.12.2023, könnten weitere Entscheidungen in Bezug auf die Zinsen mit sich bringen. Die große Frage, die dabei im Raum steht, lautet: Sind wir am Ende der Zinserhöhungen angelangt oder werden im Herbst weitere Zinssteigerungen folgen? Nur die Zeit wird es zeigen.
Sparzinsen: Die Zuwächse der Sparzinsen hinken den Leitzinserhöhungen hinterher.
Werden die Zinserhöhungen der EZB als erhöhte Sparzinsen an Kunden weitergegeben? Die allgemeine Antwort darauf lautet Nein. Einige Banken mögen zwar höhere Zinsen bieten, diese sind jedoch oft nur für einen begrenzten Zeitraum oder bei bestimmten Verpflichtungen gültig. In der obigen Grafik repräsentieren die gelbe und orange Linie die Leitzinsen der EZB – wobei die orange Linie den Zinssatz der Einlagenfazilität darstellt, also den Zinssatz, zu dem Banken risikofrei Geld bei der EZB hinterlegen können. Und wie sieht es mit den Banken und deren Zinsen für täglich verfügbare Einlagen aus? Dies zeigt die hellblaue Linie. Laut den Daten von Sparzinsen.at liegt der Durchschnittszinssatz knapp über 1,3 %, während die Top 5 Angebote fast 3,3 % erreichen (dunkelblaue Linie).
Die dünnen grauen Linien in der Grafik illustrieren die Differenz zwischen dem Zinssatz der EZB-Einlagenfazilität und den Top 5 Einlagen bzw. dem Durchschnittszinssatz. Seit März 2023 liegt diese Differenz stetig über 2 Prozentpunkten. Aktuell bewegt sie sich auf einen Unterschied von 2,5 Prozentpunkten zu, zwischen dem Zinssatz, zu dem Banken bei der EZB Geld anlegen können, und dem durchschnittlichen Zinssatz, den die Banken ihren Kunden bieten.
Die Banken ziehen also einen Nutzen aus dieser Zinsdifferenz, was zu erheblichen Zinsgewinnen führt und ihre Finanzergebnisse verbessert. Wie können Kunden darauf reagieren? Durch Vergleichen der Sparzinsen und Auswahl einer Bank, die höhere Sparzinsen bietet!
Große Summen an Bargeld und direkt verfügbaren Sparreserven befinden sich in den Händen privater österreichischer Anleger.
Laut OeNB-Daten, werden beinahe 230 Milliarden Euro von privaten österreichischen Anlegern in Form von Bargeld und täglich verfügbaren Spareinlagen, Stand Q1/2023, gehalten. Die Summe dieser Vermögenswerte ist trotz verschiedener Krisen in den vergangenen Jahren gestiegen, wie der Aufwärtstrend der blauen Linie in der Grafik zeigt. Im ersten Quartal 2023 ist jedoch eine Abschwächung zu verzeichnen. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Trend vorübergehend ist oder sich in den kommenden Monaten als dauerhaft erweist, eventuell infolge der Inflation.
Es sollte nicht übersehen werden, dass das Horten von großen Bargeldmengen oder niedrig verzinsen Einlagen über die Zeit das Geld entwertet. Durch die Inflation kann das Geld an Kaufkraft verlieren. Daher ist es empfehlenswert, verschiedene Investitionsoptionen zu prüfen, die potenziell höhere Renditen erbringen können, ohne dabei das Risiko einer Vermögensminderung außer Acht zu lassen.
Datenquelle: OeNB
Österreichs Kreditzinsen verzeichnen weiterhin einen Aufwärtstrend.
Die OeNB-Statistiken zeigen eine bemerkenswerte Aufwärtsdynamik in den österreichischen Kreditzinsen, sowohl bei Wohnbau- als auch bei Konsumdarlehen. Der Chart zeichnet die Zinsbewegung bis April 2023 nach. Obwohl aktuellere Daten der OeNB noch ausstehen, spricht der Trend dafür, dass sich die Zinsen für Neukredite fortlaufend erhöhen.
Dieser Trend spiegelt sich in steigenden Kreditkosten und einer wachsenden Herausforderung für potenzielle Kreditnehmer wider. Es ist daher ratsam, bei der Kreditanfrage sorgfältig die Konditionen und Zinssätze zu vergleichen. Dabei sollte man auch die eigenen finanziellen Möglichkeiten und die Rückzahlungsfähigkeit berücksichtigen, um sicherzustellen, dass eine zukünftige Kreditrückzahlung tatsächlich tragbar ist, insbesondere in Zeiten steigender Kreditzinsen. Für mehr Sicherheit könnten sich Kreditnehmer auch für einen Festzinskredit entscheiden.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass sowohl Konsum- als auch Immobilienkredite für Neukunden teurer werden, wobei der Unterschied zwischen den durchschnittlichen Zinssätzen für diese beiden Kreditarten relativ konstant bleibt.
Wegen starker Inflation halten Negativrealzinsen an
Obwohl die Inflation in Österreich auf 8% gesunken ist, bleiben die Sparzinsen niedrig, was zu anhaltenden negativen Realzinsen führt. Dieser Trend ist in der untenstehenden Grafik dargestellt, wo die rote Fläche eine nahezu 7% negative Realrendite gegenüber dem Durchschnittszins symbolisiert.
Quelle: Vergleich von Sparzinsen und Inflation = Realrendite – von Sparzinsen.at
Zinsen Prognose
Die Zukunft des Zinsumfelds bleibt ungewiss, wobei die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) auf ihrer nächsten Sitzung am 14. September 2023 entscheidend sein könnten. Sie könnte entweder eine weitere Zinserhöhung aussetzen oder sie lediglich um weitere 25 Basispunkte anheben. Was die restlichen Sitzungen in 2023 angeht, so bleibt das Feld offen. Die Entwicklung der Inflation und die allgemeine Wirtschaftslage im Herbst werden hierbei ausschlaggebend sein. Es sieht jedoch so aus, als ob sich dunkle Wolken am Wirtschaftshimmel zusammenbrauen.
In Bezug auf die Spar- und Kreditzinsen könnte es wahrscheinlich weiterhin nur moderate Erhöhungen bei den Sparzinsen geben, wobei die Banken weiterhin mit einer gewissen Zurückhaltung agieren dürften. Kreditnehmer, insbesondere solche, die einen neuen Kredit aufnehmen wollen, sollten sich auf höhere Zinssätze einstellen. Auch für diejenigen mit bestehenden variablen Krediten dürfte die Zinslast steigen, wobei die 4% Marke vermutlich nun deutlich übertroffen wird.